Meine Zurückgezogenheit könnte man
folgendermaßen erklären: Da meine Ideen mir vorauseilen, lebe ich,
wie mir scheint, inmitten noch nicht geborener Wesen. Ich wohne also in einer
noch nicht eröffneten Epoche, nur in ihr fühle ich mich wohl. Ich
sage das in aller Naivität: Denn wer könnte mich zwingen, so weit
entfernt von den Menschen der gegenwärtigen Epoche zu leben? In Wahrheit
fühle ich mich als Zeitgenosse künftiger Generationen, zu denen
spreche ich, für sie denke ich. Sie leben noch nicht, ich bin noch nicht
gestorben. Sie werden mich zur Welt bringen und ich werde ihnen Vater
sein.
Der Umgang mit meinen Zeitgenossen macht mir Mühe. Ich
sinne über mich selbst, um zum Anfang zurückzugelangen, und stammle.
Menschenverachtung liegt mir fern. Ich verehre die Frauen, die Jugendlichen,
denn unter der Last meiner Jahre erfreue ich mich einer unvergleichlichen
Jugend: ein Edelweiß* unter dem Schnee. Ich fühle mich nur unter
Kindern wohl, als wäre ich eines von ihnen.
Ich suche weder die Menschen noch die Freuden dieser Zeit,
doch von der künftigen Menschheit fühle ich mich angezogen.
Eine geheime Sehnsucht versetzt mich in die Zukunft, ich
sehe mich in späteren Zeiten leben. Wenn ich hochmütig bin, ist mein
Hochmut... Ich kann mich irren, mein Irrtum...
Ich habe eine Art Schrecken vor dem Zuspätsein. Ich
lege keinen Wert auf heutigen Ruhm.
Abgesehen von einigen schäbigen Lebensnotwendigkeiten,
tue ich alles, um verkannt zu sein; sicherlich aus diesem seltsamen.... ,
später erkannt zu werden. Ich habe eine Art wilde Angst vor dem
Ruhm.
(aus: De l'art magnifique. S. 71f. Geschrieben um
1930)
Übersetzt von Joachim Schultz und Chantal Strasser